
Okimono in Gestalt einer Ägypterin
Die japanische Schnitzkunst ist eng verknüpft mit der japanischen Kleiderordnung, etwa den »Netsukes« (kleine Figuren, mit denen man Beutel am Gürtel des Kimonos befestigte). Als sich die Kleiderordnung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fundamental änderte, suchten und fanden die japanischen Schnitzkünstler neue Absatzmärkte. Dieses Okimono aus Elfenbein, das ein wenig an eine christliche Madonnenfigur erinnert, wurde vermutlich für den arabischen Markt produziert. Sie trägt den Schleier einer Fellachin (ägyptische Bäuerin).

Fellachin mit Niqab
Die Fotografie war das Schlüsselmedium des Orientalismus und das Fotostudio Lehnert&Landrock in Kairo eine seiner Hauptquellen. Um 1900 bereiste Rudolf Lehnert Nordafrika, um Landschaften und ikonische Orte (wie die Pyramiden von Gizeh), vor allem aber um Menschen zu fotografieren. Das Genre, das auf diesen Reisen entstand, wird als »Ethnopornografie« bezeichnet, denn es verschmilzt das koloniale Blickregime mit erotischer Mystifikation. Wer da genau hinter dem Schleier der »Fellachin« (einer ägyptischen Bäuerin) steckt, ob eine Schauspielerin oder Prostituierte, sprich: eine junge Frau aus der Großstadt, die sich für Geld ablichten lässt, ist unklar. Einigermaßen sicher ist nur, dass sich keine Bäuerin je in Lehnerts Studio verirrt hat.
Esther Pilkington (Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder))
Ulrich Schötker (Erich Kästner Schule Hamburg)
Dingforscher_innen: Luisa Aschenbrenner, Tuana Erdogan, Marlon Fries, Jonas Frühauf, Charlotte Groth, Nina Holsten, Larissa Raddi, Leif Raeder, Emma Reppenhagen, Jonas Rohde, Miriam Toutabizi, Lone Zippel.
Fotos: Daniel Ladnar

Statuette einer Ägypterin
Eine waschechte Pariserin, die eine Ägypterin zu sein vorgibt. Mindestens ein Detail verrät sie: die Löckchen, die unter dem Kopftuch hervorquellen. Das ist post-revolutionäre französische Coiffure.

Hyakusenkai Graph (百選会 呉服催事カタログ資料 「百選会グラフ」大阪店発行)
Takashimaya gehört zu den ersten großen japanischen Departmenstores mit Niederlassungen in Kyoto, Osaka und Tokyo sowie einer eigenen internationalen Handelsabteilung. Der Schwerpunkt des Sortiments lag auf Kimonos, die jedoch im Zuge der Meiji Restauration gegenüber westlicher Kleidung zumindest im öffentlichen Leben an Bedeutung verloren hatten (obwohl letztere allgemein als unbequem galten). Um sich an den Geschmack des moga (modan garu, japanisiert für „modern girl“) anzupassen, wurden Trendscouts nach Europa geschickt, um die neusten Moden aus Paris, London oder Berlin einzufangen – wie beispielsweise den Faible für ägyptische Muster, der noch aus der Zeit der „Ägyptomanie“ stammt.

Empire Kaffeeservice mit ägyptischem Dekor
Ein bleibender Triumph von Napoleons Ägyptenfeldzug war die Entzifferung der Hieroglyphen. Der neapolitanische Porzellankünstler zeigt allerdings kein sonderliches Interesse an lesbaren Inhalten, sondern gibt sich mit der bloßen Anmutung von Sinn zufrieden. Rätselhaft ist das Antlitz der Sphinx, trägt es doch die strengen Züge eines weißen bürgerlichen Patriarchen.

Fadenglas
Über Jahrhunderte, noch vor den Portugiesen, Holländern, Engländern und Franzosen, hatte Venedig den globalen Seehandel dominiert und auch für die Währung gesorgt, mit der getauscht wurde: Glasperlen.
Die sogenannten »Chevron«-Perlen, die wir hier in einem Collier von Marie-José Crespin zeigen, dienten als Zahlungsmittel im westafrikanischen Sklavenhandel. Crespin fand sie vor Jahren im Sand der Insel Gorée (Senegal), auf der die Versklavten gesammelt wurden, bevor sie auf die berüchtigte »mittlere Passage« (von Afrika nach den Amerikas) geschickt wurden.
Marie-José Crespin: Colliers (ohne Jahresangabe)
Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin

Seepocken
Dieser Stein stammt aus Singapur, einer kolonialen Gründung der Engländer, und ist dicht besetzt mit sogenannten Entenmuscheln. Die Entenmuschel ist nicht nur bemerkenswert, weil sie einst Charles Darwin bei der Abfassung seiner Theorie der Evolution leitete. Sie hat auch den Kampf zwischen Engländern und Franzosen um die globale Seeherrschaft entschieden. Sie produziert eine Art Zement, der ihr erlaubt sich an Felsen, Bojen und Schiffsrümpfen festzusetzen. Einmal festzementiert, wird man das Tier nicht mehr los. Das Schiff, dessen Rumpf die Muschel besiedelt, wird nicht nur schwerer. Auch der Wasserwiderstand wächst. Es wird also um einiges langsamer. Dieses Schicksal wurde der französische Flotte zuteil – jedoch nicht der englischen. Die cleveren Engländer hatten herausgefunden, dass Kupferbeschläge, die das giftige Kupferoxid absonderten, die Entenmuschel fernhalten.

Die Rückkehr der »Münsterland«
Es ist schon eine ganze Weile her, da lief die »Nordwind« und die »Münsterland« im Hamburger Hafen ein. Eskortiert wurden die Frachter von Freizeitkapitänen auf ihren Booten. Dazu erklang ein fröhliches Konzert aus Schiffshörnern. Zuvor hatten die Schiffe und ihre Besatzungen 8 Jahre lang festgesteckt – im Sueskanal, dessen Zugänge durch Kriegshandlungen 1967 plötzlich blockiert worden waren.