
Langschal
Nachdem die Briten den Mogulherrschern den indischen Subkontinent abgejagt hatten, brachten ihre paramilitärischen Handelsgesellschaften Tücher und Schals mit Boteh-Motiven nach London. Diese Textilien waren Herrschern zugedacht und unendlich kostbar. Genau aus diesem Grund wurden sie von Webern aus der schottischen Kleinstadt Paisley kopiert und mithilfe mechanischer Jacquard-Webstühle massenweise produziert. Schafften die frühen europäischen Weber gerade einmal 2 Farben (Indigo und Krapp) und später, dank technischer Tricks, immerhin bis zu 5, so erlaubte die von Joseph-Marie Jacquard erfundene Lochkartentechnik den Einsatz von bis zu 15 Farben. (Das ist kein Grund zur Einbildung; die Originalschals aus Kaschmir kamen locker auf das Vierfache).
Das Boteh-Motiv ziert eine traditionelle Holztür aus Kaschmir, die Justus Brinckmann auf der Wiener Weltausstellung für das MKG erwarb. Sie gehört zu einem der ersten Stücke der Sammlung.

Jacquard Webstuhl
Die Geschichte der digitalen Datenverabreitung geht bis ins 18. Jahrhundert zurück – ihre Erfindung wurde jedoch weniger von dem profanen Streben nach Machtwissen getragen, als von der Verführungskraft kostbarer Seidentextilien. Um das Weben hochkomplexer Textilmuster zu automatisieren, wurde seit den 1720er Jahren mit Lochkarten als variable „Arbeitsspeicher“ experimentiert. Der erste vollautomaischen Bandwebstuhl mit Lochkartensteuereung wurde schließlich 1805 von dem findigen Seidenweber und Kaufmann Joseph Marie Jacquard eingeführt.

Rechaud in Gestalt einer »Orientalin«
Die Bildwelt des 19. Jahrhundert war mit so allerlei Merkwürdigkeiten gespickt, die unmittelbar den sexistischen und exotistischen Phantasien des Bürgertums zu entspringen schienen. So auch diese Rechaud in Gestalt einer „Orientalin“ (was auch immer das bedeutet), die eine Pumphose mit Botehmotiven trägt.
Das vorderasiatische Boteh-Motiv, heute bekannt unter dem Namen »Paisley«, findet sich auch — man sehe und staune! — auf Bauerntrachten aus den Vierlanden
Dieser Teppich verbindet die Tradition persischer Teppichkunst mit Hamburger Punkästhetik. Entworfen hat ihn Schirin Beigui die in ihrer Wohnung ein solches Muster auf den Boden gesprüht hat, weil sie sich einen „echten“ Perserteppich nicht leisten konnte. Aber was bedeutet schon „echt“?
Friedemann Neumann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter (Ethnologisches Institut der Goethe-Universität Frankfurt a. M.)
Prof. Dr. Hans Peter Hahn, Projektleitung (Ethnologisches Institut der Goethe-Universität Frankfurt a. M.)

Maha Maamoun
Maha Maamoun: Cairoscapes – Untitled #1 & Untitled #5, 2003
C-Print
Mit freundlicher Genehmigung des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg

Empire Kaffeeservice mit ägyptischem Dekor
Ein bleibender Triumph von Napoleons Ägyptenfeldzug war die Entzifferung der Hieroglyphen. Der neapolitanische Porzellankünstler zeigt allerdings kein sonderliches Interesse an lesbaren Inhalten, sondern gibt sich mit der bloßen Anmutung von Sinn zufrieden. Rätselhaft ist das Antlitz der Sphinx, trägt es doch die strengen Züge eines weißen bürgerlichen Patriarchen.

Keith Haring: Into 84
Fictious Characters
Sophia Prinz

Xu Bing
Xu Bing《天书:重复的文字》
Book From the Sky: the Repetition of Words (temporary translation), 1987-1991
Tusche auf Papier
Mit freundlicher Genehmigung des Xu Bing Studios

Teller mit pseudo-chinesischer Schrift
Chinesisches Porzellan wurde in ganz Eurasien gehandelt und mancherorts sogar mit Gold aufgewogen. Der ungeheure Wert chinesischen Porzellans lässt sich an einer persischen Keramikschale ermessen. Sie tut so, als sei sie blauweißes Porzellan. Zum »So-tun-als-ob« gehören auch die chinesischen Schriftzeichen in der Mitte. Doch kein Chinese kann diese Zeichen lesen; sie sind eine persische Erfindung.

Glaskegel
Alles im Museum wird nummeriert, klassifiziert, beschriftet und unterschiedlichen Abteilungen zugeordnet. Es gibt aber auch ein paar Dinge, die ohne Ordnungsnummern auskommen müssen, die nirgendwo hinzugehören scheinen wie jenes mysteriöse Glasobjekt mit dem Chanel-Muster, das in dem Depot der islamischen Abteilung aufgetaucht ist.

Jürgen Stollhans
Jürgen Stollhans: Weit werden wir nicht kommen, 2018
Dispersionsfarben auf Leinwand
Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

Allan Sekula
Allan Sekula: The Dockers‘ Museum, Objekt Nr. 42, 2010
Fußball von Pelé signiert
Mit freundlicher Genehmigung des MHKA (Museum of Contemporary Art Antwerp), Antwerpen

J.D. ‘Okhai Ojeikere
J.D. ‘Okhai Ojeikere: Abebe, 1975
Silbergelantineabzug auf Barytpapier
Mit freundlicher Genehmigung von MAGNIN-A, Paris

Kyungah Ham
Kyungah Ham: What you see is the unseen / Chandeliers for Five Cities BC 02-04, 2014 / 2016
Nordkoreanische Handstickerei, Seidenfäden auf Baumwolle, Mittelsmänner, Angst, Zensur, Ideologie, Holzrahmen
Mit freundlicher Genehmigung der Galerie Carlier Gebauer, Berlin
Kyungah Ham: Needling Whisper, Needle Country/ SMS Series in Camouflage/ Are you lonely, too? C 01-01-04, 2014 / 2015
Nordkoreanische Handstickerei, Seidenfäden auf Baumwolle, Mittelsmänner, Angst, Zensur, Ideologie, Holzrahmen
Mit freundlicher Genehmigung von Mikael Stahl