Franz Radziwill gehört heute zu den Hauptvertretern der „Neuen Sachlichkeit“, jener Kunstrichtung, die 1925 mit einer großen Ausstellung in der Kunsthalle Mannheim zu einem festen Begriff wurde. An dieses Ereignis vor hundert Jahren erinnern nun zwei Ausstellungen: Wien (Leopold Museum) und Mannheim (Kunsthalle). Franz Radziwill steht im Zentrum – und zugleich steht er als ‚magischer Realist‘ allein. Der Hintergrund findet sich in diesem außergewöhnlich intensiven Gemälde: „Das Wattenmeer“.
Als der gerade fünfundzwanzigjährige Franz Radziwill 1920 in Berlin durch lärmerfüllte Tage und Nächte jagte, traf er Karl Schmidt-Rottluff. Der fühlte, was in dem jungen Kollegen vor sich ging: „Franz Radziwill, ich bin früher viel in Dangast gewesen. Das ist was für Dich!“ Und tatsächlich. Der aufstrebende „Repräsentant einer neuen Generation der Schaffenden“ reiste in den weltabgewandten Fischerort am Jadebusen, südlich von Wilhelmshaven – und blieb.
In den kommenden gut sechzig Jahren bis zu seinem Tode am 12. August 1983 lebte und arbeitete er zwischen Windstille und Sturm unter einem ständig wechselnden Himmel im ewigen Rhythmus der Gezeiten und jener Weite, die bis zum Horizont reicht – und darüber. Schließlich konnte er zusammenfassen: „Kein Bild von mir ist ohne Dangast möglich.“
Aus dieser Fülle des Gesehenen und Erlebten entstand 1930 das Gemälde „Das Wattenmeer.“ Ein einsames Segelboot gleitet durch die Wellen der auflaufenden Flut in Richtung Westen, der untergehenden Sonne – und der Unendlichkeit entgegen. Am Steuer: Der Maler.